„Kunstrasen – Fluch oder Segen?“/ Stadt Gießen recht gut ausgestattet / Laubach, Hungen und Rabenau unterversorgt​

Die Sahara ist eine Wüste. Sand soweit das Auge reicht. Nun ist es nicht so, dass man beim Anblick eines Kunstrasenplatzes zwangsläufig an eine Wüste denken muss, aber das Sandaufkommen in Lollar ist immens.

Von grünen Kunstfasern, die das Geläuf prägen, ist nicht viel zu sehen, aber Sand, den hat es reichlich.​ ​ ​​Kunstrasenplätze sind eine Sache für sich, auch weil sie in Qualität und Bespielbarkeit sehr unterschiedlich sind. Kunstrasen ist nicht gleich Kunstrasen, das zeigt eine Tour durch das Gießener Umland. 17 Vereine oder/und Gemeinden haben im Fußballkreis Gießen das natürliche Grün oder die Rotasche durch Kunstrasen ersetzt oder ergänzt. Dazu kommt noch der „mietbare“ in der Sportschule Grünberg. Dabei machte Ende der 80er der TSV Großen-Linden im Stadtzentrum den Anfang. „Das war ein Platz der ersten Generation“, weiß Lothar Gersmann, der wie kein anderer in Mittelhessen als Fachmann fürs künstliche Geläuf gelten darf. Gut 100 Kunstrasenplätze hat der Diplom-Ingenieur geplant, betreut, gebaut. Im Sommer 2019 beispielsweise den Platz des TSV Klein-Linden, der so langhaarig, weich und federnd daherkommt, dass man sich am liebsten darauf schlafen legen würde. Gersmann weiß alles über die Variante des Allwetterplatzes, der den Vereinen eine Rundumversorgung durchs ganze Jahr bieten soll, was aber ein Trugschluss ist, denn wenn die Fläche vereist, ist auch auf einem Kunstrasen Schluss mit lustig.

Trotzdem hat die Entwicklung des Kunstrasens viele Vereine von Sorgen befreit, auch wenn die Finanzierung bis zur Umsetzung oft mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Und aktuell die Verunsicherung aufgrund des drohenden Granulat-Verbotes hinzukommt. Dass ein Kunstrasen nicht gepflegt werden müsse, ist indes eine Mär. Im Grunde bedarf er, das weiß jeder, der als Platzwart oder Vereinsverantwortlicher darin eingebunden ist, ähnlich intensiver Bearbeitung wie Rasen- oder Tennenplätze.

Dabei hat sich in der Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren enorm viel getan. Der Kunstrasen ist deutlich belastbarer geworden, aber auch weicher, das heißt für die Spieler gelenkschonender. Die Kunstfasern sind dicker, der Untergrund ist quasi gepolstert.​ ​ Davon profitieren die Akteure nicht nur in Kleinlinden, sondern auch in Kinzenbach oder Fernwald-Steinbach, aber auch in Reiskirchen.

Immer mehr Vereine schaffen sich einen Kunstrasen an, aber es gibt, wie die Grafik zeigt, ein erhebliches Defizit im Nordost- und Ostkreis der Region. Mit den für die Vereine unangenehmen Folgen, in ihren Möglichkeiten eingeschränkter zu sein, als jene in den angrenzenden Gemeinden.

In Gießen ist der MTV 1846 ein gutes Beispiel dafür, was ein Kunstrasen bewegen kann. Ursprünglich war der vordere Platz eine Art Unkrautrasengestrüppgeflecht. Obwohl zentral gelegen, waren (auswärtige) Spieler damit schwer zu locken. Dass der MTV mittlerweile mit drei Seniorenmannschaften und komplett besetzter Juniorenabteilung am Start ist, hängt auch mit dem Bau des Kunstrasens 2007 zusammen. Der ist zwar mittlerweile schon geflickt, aber noch keine Wüstenei.​

Quelle: https://www.fupa.net/berichte/im-nordosten-sieht-es-mau-aus-2597116.html